Mit ESG die Vision für Nachhaltigkeit schärfen

Zur guten Praxis nachhaltigen Wirtschaftens im Bauwesen gehören ESG-Aspekte schon länger. Als Medienpartner von RED durften wir Referierende der Real Estate Days 2023 dazu befragen, welche Trends sie im Bereich ESG in für die nächsten Jahre.

Die Nachfrage nach Immobilien und Investments, die Umwelt («E»)-, Sozial («S»)- und Governance («G»)-Faktoren umfassend einbeziehen, ist heute so gross wie nie. ESG-Kriterien fördern Innovation, ESG-Ratings gewinnen als Wettbewerbsfaktor zunehmend an Bedeutung. «Die mit ihnen einhergehenden Transparenzanforderungen unterstützen die stärkere Gewichtung und Integration von Nachhaltigkeit in Unternehmen – dies ist wegweisend, um Fortschritte zu erzielen», sieht René Zahnd, CEO Swiss Prime Site.

Die laufende Standardisierung, nicht zuletzt als Folge umfangreicher Berichterstattungspflichten in der EU und der Schweiz, treibt die Vergleichbarkeit von Immobilien-Portfolios bezüglich ihres Nachhaltigkeitsprofils voran. Dies erleichtert nachhaltige Investitionsentscheidungen.

Die Umsetzung von ESG-Faktoren fordert die Branche allerdings stark. Dies betrifft nicht nur den Erfassungsaufwand und die Bereitstellung ESG-Daten.  «Die Anforderungen an u.a. Planung, Umsetzung und Reporting sind komplexer geworden», so Daniel Brüllmann, Head Real Estate DACH, UBS Asset Management. «Besonders im Umweltbereich hat die Immobilienbranche viele Fortschritte erzielt, jedoch müssen Aspekte wie Biodiversität, Graue Energie und Kreislaufwirtschaft noch stärker berücksichtigt werden».

Vergleichbarkeit und Kollaboration 

Gefragt seien, so Brüllmann, Standards und vergleichbare Grössen, die insbesondere die im Bauprozess verursachten Treibhausgase, welche unter anderem bei der Produktion von Baumaterialien anfallen, besser berücksichtigen.

Ohne Kollaboration aller Akteure entlang der Wertschöpfungskette zur Weiterentwicklung in den Bereichen Klima-, Umwelt- und Ressourcenschutz wird es nicht gehen. Branchen-Initiativen wie die Charta kreislauforientiertes Bauen oder der Leitfaden «Zirkularität messbar machen» weisen den Weg.

Gleichzeitig muss nachhaltige Finanzierung auf Transparenz setzen und Innovation fördern: «Kernziel bei der Anwendung von ESG-Kriterien zur Förderung nachhaltigen Wirtschaftens muss eine möglichst breite Transformation sein. Mit einem marktwirtschaftlichen Ansatz ohne Verbotsdenken sollten alle Unternehmen einbezogen werden», unterstreicht Rudolf Minsch, Chefökonom und stv. Vorsitzender der Geschäftsleitung, economiesuisse. Denn gerade in Sektoren mit niedrigeren Standards und grossem Transformationspotenzial sind nachhaltige Investitionen besonders wirksam und sinnvoll.

Die Notwendigkeit der Weiterentwicklung der ESG-Kriterien steht ausser Frage. «Die Kriterien und entsprechenden Messgrössen müssen auf Länder, Industrien und Produkte heruntergebrochen und ausreichend konkretisiert werden», so Zahnd. Es bestehe insbesondere ein dringender Bedarf an vergleichbaren Kriterien in den Bereichen S und G, so Brüllmann: «Viele dieser Kriterien sind abhängig von Prozessen und können schwer operationalisiert werden. Hier müssen noch viele Debatten geführt werden – z.B. zur Frage, wie im Vermietungsprozess soziale Durchmischung noch systematischer berücksichtigt werden kann.»

Systemische Integration von E, S und G

Eine solche systemische Betrachtung von Kreislaufwirtschaft, die Gerechtigkeit, Resilienz und Transparenz ermöglicht, greift immer mehr Platz. «Klug mit Bestand umgehen, graue Energie minimieren, mehr Wohnraum schaffen und verdichten bei gleichzeitigem Erhalt von Grünflächen und Biodiversität», fasst Eva Herzog, Ständerätin Basel-Stadt und Präsidentin Wohnbaugenossenschaften Schweiz, die Zielkonflikte zusammen, mit denen auch gemeinnützige Bauträger konfrontiert sind. «Wenn wir ESG ernst nehmen, braucht es hier ein Umdenken in der stark renditegetriebenen Immobilienbranche.»

Die Weiterentwicklung der ESG-Kriterien ist wichtig, um die Branche umfassend zu transformieren. Das – so Patrick Eberhard, Eberhard Unternehmungen – unterstützt den Fortschritt, initiiert aber nicht die nötige Schnelligkeit. Anstelle auf regulative Eingriffe und Berichterstattungspflichten zu warten, gewinnen Standards und Normen zunehmend an Bedeutung. «Entscheide ich mich als Unternehmer visionär für den Fokus «Ökologie», muss ich bereit sein, andere Preise zu zahlen. Oder ein System in Gang bringen, das Anreize bietet, «besser» zu sein als der Wettbewerb. Wenn Ressourcen und CO2 klare Preise haben und sich diese auf Basis eines Markt-Benchmarking entwickeln, werden wir schneller.»

Es ist Zeit für visionäre Nachhaltigkeit.

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